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Montag, 2. Dezember 2019

Leseprobe, Das Netz noch nicht überarbeiteter Text





Das Netz


Auf dem kleinen Display stand in weißen Buchstaben auf schwarzen Hintergrund:

„KEIN NETZ
NO RECEPTION“

Roland schaute hinter sich, er konnte nichts sehen, konnte aber sehr gut die sich nähernde Bedrohung spüren. Er schaute sich um. Es gab nichts, wo er sich hätte verstecken können. Er stand mitten in der Natur. Eine wie es schien sehr gefährliche Natur. Wie konnte er nur in diese Situation geraten?

Es ist sonderbar, wie sehr wir von der Technik abhängig sind. Ohne Laptop, Handy, iPad und Reader funktionieren wir überhaupt nicht mehr. Dabei ist es noch nicht so lange her, dass diese Geräte noch nicht existierten. Wir haben uns erstaunlich schnell angepasst und unsere Kinder kennen keine richtigen Bücher mehr, Heft und Bleistift, mit denen ich hier schreibe, werden bald nur noch ein Mythos sein. Und ja, ich werde es auch sauber in Computer tippen, aber anders als andere, die mit Autorenschreibprogrammen arbeiten, schreibe ich erst per Hand. Altmodisch werde ich genannt, ich sage: „KONSERVATIV“, das ist etwas anderes.

Was die Informationen betrifft, Google und Wikipedia bestimmen unser Leben und Diktieren uns vor, woran wir zu glauben haben. Habe ich früher unendlich viele Bücher gewälzt, um etwas zu recherchieren, brauche ich heute nur ein Wort in den Sucher zu geben und schon habe ich mehr Information, als ich je hätte erfahren wollen.

   Ohne Handy ist es noch schlimmer, haben wir kein Handy dabei, sind wir nicht nur keine Menschen, wir sind hoffnungslos verloren. Handys sind heute alle internetfähig und Google Maps weiß ständig, wie ich von A nach B finde. Die sagen mir sogar, wie viele Schritten ich geben muss vom Parkplatz bis zur Haustür. Ich frage mich ernsthaft, wie Kolumbus Amerika entdecken konnte, ohne Navi und Handy. OK, ich gebe zu Handy wäre unvorteilhaft gewesen, Isabella hätte sicher zehn Mal am Tag angerufen, um zu erfahren, wo er sich befand, sie hätte ihm die Hölle heißgemacht, weil es so langsam voranging.

Navi – ich denke, er hätte es gut gebrauchen können. Er wollte nach Indien und wo landete er? Im Garten meines Onkels. Da muss ich sagen, kein Navi ist auch ein Vorteil. Anders wären wir nie entdeckt worden. Ach, das wissen Sie ja gar nicht? Entschuldigung, ich hole etwas aus … Ich komme aus einem kleinen Land namens ‚Costa Rica‘. In seiner vierten Reise landete Columbus an unserer atlantischen Küste. Dort lebte mein Onkel bis zu dem Tage, an dem er seine letzte Reise antrat. Natürlich im 20. Jahrhundert und nicht in 15. Jahrhundert, aber der gleiche Strand. Seine Familie lebt noch dort. Ich komme aus der etwas frischeren Hauptstadt. Der ‚Valle Central‘ liegt in 1170 Meter über den Meeresspiegel.
   Aber ich schweife vom Thema ab, wie funktioniert das mit dem Netz? Immer wenn ich irgendwo anrufen will, stehe ich gerade in einem mit Blei verkleidetem Keller, oder so. Bei mir zuhause kann ich nur im Badezimmer - zwischen Toilette und Fenster gepresst - ein Netz bekommen, natürlich nur in Sommer, wenn das Fenster daueroffen steht. Zum Glück gehöre ich zu den extrem altmodischen, bei mir ist ein Festnetztelefon auf meinem Schreibtisch.

Roland steht jetzt mitten im Nirgendwo und hat ein ähnliches Problem, er hat kein Netz. Vielleicht ist es besser, wenn wir etwas vorher anfangen. Wie geriet Roland nur in diese blöde Situation?

   Die Zeitung für den Roland Lurich immer wieder als freier Journalist arbeitete, hatte ein etwas wenig glaubwürdigen Hinweis bekommen. Mitten in Dschungel, auf einer knapp besiedelten Insel, trieb sich ein Geist herum. Roland wollte Licht ins Dunkle bringen. Seine Taschenlampe befand sich bereits in Koffer.

»Ein Geist«, lachte er, seine Hose wurde zusammengerollt und verschwand in eine Ecke des Koffers. Seine Verlobte saß auf der Fensterbank, ihre Arme umfassten ihre Knie, darauf ruhte ihr Kopf.

»Schnuffel, musst du wirklich da hin?« Lorena hatte einen gekränkten Gesichtsausdruck. Sie seufzte theatralisch.
»Ja Plupsi, muss ich«, gab er leicht genervt zur Antwort. Da es ihm aber sofort leid tat, durchquerte Roland den Raum mit nur ein paar Schritten, er umarmte seine in sich verknotete Verlobte und gab ihr ein Kuss auf den Haarscheitel. »Spätestens in eine Woche bin ich wieder da«, versprach er. »Ich vermute, das Ganze ist nicht einmal eine Meldung wert. Ich muss hin, verstehe es doch, wir brauchen das Geld«. Roland verstärkte die Umarmung.
»Ein Geist«, spie sie verächtlich. »Bezahlen sie dich, wenn du nichts berichten kannst? Diese Leute sollten sich ein Exorzist für ihr Haus suchen!«. Lorena wollte nicht klein beigeben.
Roland korrigierte Lorena nicht, er ließ sie in dem Glauben, er würde eine Woche bei irgendwelchen Leuten verbringen. Es war besser ihr nicht zu sagen, dass er eine Woche in den Tropen verbringen würde, exotische Getränke schlurfend.
»Piiiipppp – Piiiipppp – Piiiipppp«
Roland griff genervt in seine Hosentasche, ein kurzer Blick auf das schwarze Display seines Handys bestätigte seine Vermutung.
»Piiiipppp – Piiiipppp«
»Der Akku ist wieder leer, das Ding übersteht keine Woche ohne Steckdose«
»Warum ohne Steckdose, haben die Eigentümer des Hauses keinen Strom?«
Jetzt hatte er sich verplappert, »Die versuchen sich in der Lebensphilosophie der Amish Leute«, schwindelte er.

Der Flughafen: Juan Santa Maria‘ war anders als von Roland vermutet, sehr modern, nicht zu verachten, für so ein kleines Land. Er holte seine Koffer und ging zu einer kleinen Maschine, die noch etwas abseits der Rollband stand.
»Are you Roland Lurich?« Der kleine untersetzte Mann schaute Roland mürrisch an: » We have been waiting half an hour for you!«
»My plane jetzt landed« Roland war sich nicht sicher, ob er den Satz wirklich richtig formuliert hatte, das Wort „jetzt“ klang so deutsch. Es
war das erste Mal nach acht Jahren, dass er englisch über die Lippen brachte. Er schaute auf seine Uhr: »I’m on Time«
»We do not habe Time now«, der mürrische Mann schüttelte der Kopf. Roland hörte, wie er im Weggehen das Wort „Gringos“ verächtlich von sich gab, den Rest verstand er nicht.
„Vielleicht sollte ich doch noch Spanisch lernen?“, ging ihm durch den Kopf.

Der Klang des Motors weckte nicht unbedingt Rolands Vertrauen. Mit einem solchen Husten, wie diesen Motor es hatte, pflegte er lieber ins Bett zu bleiben. Mit dem Flieger sollte er zu einer kleinen Insel gebracht werden, dessen Name er längst vergessen hatte. Die Frage war nur, würde er auch ankommen?

   Im Flieger befanden sich außer Roland, fünf weiteren Passagieren. Roland war alles andere als begeistert über ihr Aussehen. Sie erweckten den Eindruck von Flüchtlingen, die eine Menge zu verbergen haben und dahin gehen, wo Behörden keine Rolle spielen. Was wäre naheliegender als eine Insel, wo es kaum Bevölkerung gibt, und ansonsten nur Dschungel?

   Der Flug dauerte fünfundvierzig Minuten, holprige fünfundvierzig Minuten wäre wohl die bessere Beschreibung. Der Flughafen auf der Insel war eher naturverbunden, es bestand aus zwei Wänden mit einem Dach, Abfertigung gab es nicht. Über den Zustand der Landebahn wollen wir lieber den Mantel des Schweigens ausbreiten.

   Unzähligen Schweißtropfen drängten sich fast augenblicklich aus Rolands Stirn. Er holte ein Papiertaschentuch raus und schaute sich genervt um. Sein Hawaiihemd klebte an den Konturen seines halbwegs akzeptablen Körpers, so hatte es Lorena mal beschrieben, vor allem der leichte Bauch kam besonders gut zur Geltung. Seine beginnende Glatze…





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