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Donnerstag, 19. Dezember 2019

Lesetext Schneeengeln










Schneeengeln




»Autsch! Das tut doch weh« Gina rieb sich den Arm, Jahn hatte genau die Stelle getroffen, die sie sich beim Squash verletzt hatte.

»Stell dich nicht so an, schau« Jahn zeigte zum Fenster. »Es schneit«.

Ginas Blick folgte der ausgestreckte Finger, tatsächlich, zwar noch sehr fein, dennoch erkennbar. Die Straße und die Bäume waren in Weiß eingehüllt, während die winzigen Flocken weiter fielen. Am nächsten Tag würde ein weißer Teppich überall liegen, es würde richtige Weihnachten geben. Bald wurde alles, genau so aussehen, wie das kleine Knusperhäuschen die sie an vergangenen Abend, gebastelt hatte.

Gina hatte ein Teil des Nachmittags und der Abend damit verbracht, das Knusperhäuschen ihre Träume zu basteln. Sogar der Lebkuchen hatte sie selbst gebacken. In so ein Häuschen würde sie gern wohnen. Dass da eine Hexe wohnen sollte, die Hänsel und Gretel verspeisen wollte, das hatte sie beiseite geräumt; in ihren Häuschen würde so etwas nie geschehen. Mit Hingabe hatte sie jedes Detail akribisch ausgeführt. Die Mischung aus Eiweiß, Zitrone und Puderzucker, wurde peinlichst genau zusammen gerührt, die Farben der Süßigkeiten, waren nach Farben sortiert und so angebracht, dass diese ein Regenbogen ergaben. Vor dem Haus stand ein Baum, eine Katze und es gab ein Zaum, darauf war sie besonders stolz.

Sie war überzeugt, dass zum Heiligabend die weiße Pracht alles überdecken würde, dennoch fragte sie »Glaubst du, dass wir, so richtig weiße Weihnachten bekommen?«, Gina ging dichter an das Fenster, »Wir könnten Schlitten fahren, Schneemänner Bauen, Schnee-Engeln ……«

Alle weiteren Ideen musste Gina für sich behalten.

»Geht’s noch? Wir müssen uns um das Geschäft kümmern, wir haben keine Zeit für solche Banalitäten«. Jan gestikulierte aufgeregt. »Schnee schadet das Geschäft, die Kunden bleiben fort, kaufen bei sich um die Ecke und wir bleiben auf die Wahre sitzen«. Sein Gesicht war rot angelaufen, er hielt sich die Hände am Kopf, während er diese schüttelte.

Jahn war so – ganz anders als sie, wenn irgendjemand, aus welchen Gründen auch immer, Jahn hätte beschreiben wollen, hätte derjenige nicht lange überlegen müssen, eigentlich genügten zwei Worte. „Ebenezer Scrooge“, vor dem Besuch der drei Geister, damit war alles lückenlos beschrieben. …………. Na ja, eine Frage blieb offen, würde Jahn, sich wie eins „Ebenezer“ irgendwann ändern?

Gina schien die Einzige zu sein, die sich nicht an Jahns Art störte, sie atmete tief ein, hängte sich an seinem Arm und lehnte ihren Kopf daran. »Das Geschäft wird schon laufen« Gina hätte sich ein paar liebevolle Worte von ihm gewünscht, vielleicht eine kleine Umarmung oder ein flüchtiger Kuss. Leider wusste sie nur zu genau, wie sinnlos es war darauf zu warten. So etwas war Jahn vollkommen fremd.

Noch während sie ihre Enttäuschung zu verbergen suchte, erinnerte sie sich an den See in der Nähe des Büros, wo Jahn und sie arbeiteten. Sie ließ Jahns Arm los, sie rannte aus dem Raum. Gleich hinter der Küche war eine kleine Kammer, da hatte sie doch ihre Schlittenschuhe ……. Hatte sie doch. ??? Die Gegenstände flogen eins nach dem anderen raus »Ich bin sicher, ich habe die hier rein getan, die müssen irgendwo liegen. Ich habe die gleich, gleich habe i…« in ihren Hinterkopf entstand die Frage, ob die woanders sein könnten, und wenn ja, wo ???

»Was suchst du?« Jahns Stimme klang so merkwürdig, als wäre sein Mund voll.
»Was isst du?« Gina zog ihren Kopf raus, gerade noch rechtzeitig genug umzusehen, wie Jahn die Tür von Knusperhäuschen aß. Der Schornstein, der halbe Zaum und der Baum waren bereits verschwunden.

»NEIN!« Brüllte sie »was hast du getan« sie sah ihren Knusperhäuschen, oder besser gesagt die Ruine, die noch da war, sie konnte es nicht glauben. Ihr Blick ging hoch, bis sie Augenkontakt mit Jahn hatte. Dieser anklagende Blick war Jahn neu.

»Ich habe Hunger«, sagte er in beleidigten Tonfall, innerlich hatte er längst erkannt, dass er diesmal, nicht so aus der Sache raus kommen würde. Er hatte gründlich Mist gebaut und würde es nicht so leicht wieder hinbiegen können.
»Hunger?« Gina baute sich vor ihm auf, stemmte die Fäuste auf ihre Hüfte, öffnete der Mund. Sie wollte etwas sagen, erkannte aber in gleichen Augenblick, wie sinnlos es war. Die Tränen sammelten sich in ihre eisblauen Augen. Vor Wut natürlich, warum den sonnst, sie wusste doch, wie er war, sie wusste es. Natürlich war sie nur wütend, niemals verletzt, nein das war sie nicht. Sie hatte jeden Grund wütend zu sein, sie hatte das Knusperhäuschen für ihren kleinen Neffe gebaut, jetzt würde sie eins kaufen müssen, ein Häuschen wie jeder sie kaufte, ohne persönliche Note.

Noch bevor die ersten Tränen, sich todesmutig über den Wimpernabhang in der Tiefe stürzten, stürzte sie aus der Küche. Ihr Weg führte direkt zum Schlafzimmer, an Bett vorbei, da stand sie vor dem großen Schrank. Wütend riss sie die Türen auf, zog eine Reisetasche raus und begann wahllos Kleidung rein zu werfen.

»Es tut mir leid« hörte sie Jahns Stimme in Flur, die Schritte wurden lauter, »Gina es tut mir wirklich leid« inzwischen stand er vor dem Bett, er sah verständnislos Ginas tun, er verstand nicht der Grund dafür.
»Nein Jahn, das reicht nicht, diesmal, bist du zu weit gegangen.«
»Aber ich …«. Stotterte er »hatte wirklich Hunger«.
»Dann, hättest du eine Scheibe Brot essen können, eine Banane oder ein Joghurt.« Gina warf weitere Kleidung in die bereits überfüllte Tasche.

Lange nach Ginas Aufbruch, stand Jahn immer noch in Schlafzimmer, er konnte sich nicht vorstellen, ohne Gina zu sein, nicht diese Weihnachten und schon gar nicht der Rest seines Lebens. Wie hatte er nur so dumm sein können? Ohne Gina hatte alles keinen Wert ...






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